Hans, königliche Hoheit

 

Als mein Vater gestorben war, flog ich öfters von Palma nach Deutschland, um meine Mutter zu besuchen. Einmal schlug sie vor, wir sollten am Abend vor meinem Heimflug nach Würzburg fahren, in der „Stadt Mainz“ zu Abend essen, und dort auch übernachten. Mein Patensohn studierte damals in Würzburg, den lud ich dazu. Er schaute auch noch zum Frühstück vorbei und irgendwie merkte ich, dass meine Mutter nervös wurde. Sie brachte mich zum Bahnhof, ja sie begleitete mich sogar auf den Bahnsteig, was vollkommen unüblich war, denn sie hasste Abschiede.

Als der einfahrende Zug schon angekündigt war, gestand sie mir mit roten Bäckchen, sie habe einen Verehrer. Nun bin ich ja ein Mensch, den sein schlechter Charakter auszeichnet, und so fragte ich meine Mutter nicht, wer es denn sei, vielmehr umarmte ich sie und sagte, dass ich mich sehr für sie freuen würde. Der Zug  war eingefahren ich stieg ein, zog das Fenster herunter, das konnte man damals noch, und winkte meiner Mutter zu.

Diese rief, ja schrie nun in das Getöse von Lautersprecherdurchsagen und zuklappenden Zug Türen:

„Aber es ist doch der Großherzog von Mecklenburg!“

Die beiden trafen sich oft in Hemmelmark an der Ostsee, wo er wohnte und machten auch gemeinsame Reisen. Meine Mutter blühte auf und wirkte manchmal wie ein 15jähriges Mädchen. Wir freuten uns alle für sie, nur meinem ältesten Bruder war die Sache ein Dorn im Auge.

Als wir Geschwister uns einmal trafen, meinte er, der „Affär“ müsse entweder ein Ende gesetzt, oder aber sie müsse einer Ehe zugeführt werden.

Ich nahm das Thema sofort auf und argumentierte, er sei ja der Erbe unseres Vaters und wir anderen Geschwister seien die Erben unserer Mutter. Der Großherzog habe ja bekanntlich keinen männlichen Nachkommen, wenn es also zur Adoption käme, dann sei ich als ältester männlicher Erbe unserer Mutter dran.

Die Frage einer Eheschließung wurde nie wieder angesprochen. Ich nehme an, dass die Vorstellung, mich mit „königliche Hoheit“ ansprechen zu müssen, meinem Bruder den Schlaf geraubt hat.

Ich habe die Geschichte meiner Mutter kurz vor ihrem Tod während eines der seltener werdenden „lichten Momente“ erzählt. Sie hat so gelacht, dass ich befürchtete, sie werde ersticken. Sie hat den Lachanfall nur wenige Wochen überlebt.

 

 

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