Offenbar ist CETA jetzt in trockenen Tüchern und Europa atmet auf, weil die weltweite Blamage unseres Kontinents halbwegs überschaubar geblieben ist.
Viel hörbarer aber atmen die Kanadier auf. Sie verzweifeln allmählich an den Eigentümlichkeiten des Marktes und des Rechtsystems ihres südlichen Nachbarn. Deshalb suchen die Kanadier dringend alternative Märkte. Da bieten sich die unterentwickelten Handelsbeziehungen zu Europa von sich aus an.
Aber Friede, Freude Eierkuchen?
Beileibe nicht! Gerade wir in Europa müssen nun endlich die Pobacken zusammenkneifen und daran arbeiten wieder handlungsfähig zu werden.
Das müsste damit beginnen, zuerst zu denken und dann zu belfern. Siegmar Gabriel hat mit seinem Ausspruch „unglaublich töricht“ die Misere ins Rollen gebracht. Womöglich hatte er ja damit sogar Recht. Als Junker einige Tage nach dem Brexit Votum sagte, der umstrittene CETA Vertrag werde von der EU ohne Mitwirkung der Mitgliedsstaaten unterzeichnet, griffen sich viele an den Kopf. Wenn beide geschwiegen hätten, wären beide weise gewesen.
Allerdings liegt das Übel der EU nicht in einigen Aussprüchen begründet. Man hat den Eindruck, dass weltweit auf einmal die „Vergessenen“ aufschreien und ihre Möglichkeiten zu irritieren entdecken. Die Wähler der AfD, die Wähler Trumps sind deutlich „Vergessene“, die sich bisher ausgeschlossen fühlten oder sich selbst ausgeschlossen hatten. Für Letztere Annahme spricht, dass die Wahlbeteiligung angestiegen ist, seit man AfD wählen kann.
Nun aber entdecken ganze Regionen ihr Irritationspotential und das kann, bei aller potentiellen Berechtigung und unbestreitbarer Legitimität, kein Handlungskonzept für Europa sein.
Auf Ibiza habe ich einmal für einen Klienten von vier verstrittenen Brüdern ein Stück Land mit Haus gekauft. Das gelang erst, nachdem ich mit Wissen des Käufers jedem der Brüder eine halbe Million Peseten gepfötelt hatte. Jedem einzelnen schärfte ich ein, er dürfe den anderen nichts davon sagen, so wäre er der Einzige, der unterschriebe und mehr bekäme als die andern. Es hat geklappt.
So fragwürdig geht es manchmal auf dem EU-Markt zu.
Jetzt sind die Briten draußen. Sie haben nie verstanden, dass die EU mehr ist, als ein vergrößerter Binnenmarkt. Bevor wir jetzt daran gehen, die EU-Instanzen zu modernisieren, muss es gelingen, die Wirtschaft der europäischen Staaten wieder anzukurbeln. Ich sehe da besorgt auf die PIGS Staaten (Portugal Italien, Griechenland Spanien). Einen arbeitslosen Jugendlichen werden wir nie für Europa begeistern. Aber die Rattenfänger, die sich je nach nationaler Konjunktur am linken oder am rechten Rand bewegen, haben mit diesen „Vergessenen“ leichtes Spiel.
Ich bin da mit Helmut Schmidt, der einmal sagte, er sei für ein Prozent mehr Inflation, wenn damit ein Prozent weniger Arbeitslosigkeit erreicht würde. Er selbst wusste, dass das wissenschaftlich wenig fundiert war, dennoch möchte ich diesen Gedanken dem Sparkurs à la Merkel oft entgegenhalten. Sparen kann nur der, der was zum Sparen hat.
Man kann nur hoffen, dass das, was Europa in den vergangenen Tagen und Wochen erlebt hat, ein Anstoß sein wird, damit zu beginnen, wieder an Europa zu glauben und wieder an Europa zu arbeiten.