Neulich war ich mit meiner Tochter in Weißensee. Wir suchten einen spanischen Schreiner, der am Telefon zugesagt hatte, für sie ein Möbel aus Paletten Holz zu bauen, damit aber um Verrecken nicht fertig wurde (mañana).
Wir landeten in einer imponierenden Industrielandschaft mit der Handschrift guter Architektur aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Berlin ist voll davon, nicht umsonst war die Stadt bis zum zweiten Weltkrieg die größte Industriestadt Europas. Im Westen ist gibt davon die Siemensstadt beredtes Zeugnis, im Osten sind es mittelgroße Fabriken umgeben von den Häusern, in denen die Arbeiter wohnten.
Unseren Tischler suchten wir in einem riesigen Klinkerbau, allein die Gänge waren fünf Meter breit. Vom Tischler keine Spur. Plötzlich tat sich eine Stahltür auf und ein bärtiger etwas linkischer junger Mann erschien auf der Bildfläche.
„Soy Paco“. Wir begrüßten uns und dann führte er uns in die Eingeweide des Kolosses, wo er seine Werkstatt hat. Durch finstere Gänge, mit geheimnisvollen Stahltüren arbeiteten wir uns vorwärts.
„Lo ha construido Hitler“, murmelte Paco fast entschuldigend. ¿Con sus propios manos?.
Paco grinste und dann waren wir auch schon an seiner Werkstatt angekommen. Tatsächlich stand dort ein Möbel aus Paletten Holz. Meine Tochter war beglückt, der Schreiner froh und seine Mutter, die im Hintergrund ein anderes Möbel lasierte, murmelte etwas von „buen chico“.
Als unsere Kinder noch klein waren, gab es im spanischen TV die Sendung „Fraggle Rock“. Im Vorspann wuselten immer fleißige Männeken herum, die in Höhlen arbeiteten. So muss man sich die Atmosphäre vorstellen.
Durch gewundene Gänge führte uns Paco „auf einem anderen Weg in unser Heimatland zurück“. Gleißendes Licht und ohrenbetäubender Krach empfing uns. Auf dem Hof stand ein Mercedes mit allen Türen sperrangelweit offen. Heraus dröhnte Discomusik Typ „volle Dröhnung“
Sofort erschien ein tätowierter Mann mit einer Piccolo Flasche Rotkäppchen in der Hand und lallte freundlich fragend, ob uns die Musik störe.
„Die Muckke stört mir überhaupt nich“ sagte meine Tochter und schon hatte der Tätowierte sie ins Herz und bald auch in die Arme geschlossen. Er fragte sie, ob ich mit ihm ein Bier trinken dürfe. Mit zugekniffenem Auge versicherte er mit, man müsse immer die Ehefrauen fragen. „Das ist mein Vater!“ Es war ihr sichtlich peinlich.
Der Kerl brabblete daraufhin „Unverständlichet aber Freundlichet“. Ein Afghane kam vorbei, hörte kurz rein und sagte dann: „Mein Deutsch ist besser“.
Es gelang uns, zu vermeiden mit auf die „Spaßmeile“ mitgenommen zu werden. Dort war in einem umzäunten Areal doch tatsächlich eine Oase aus freilaufenden Schafen, Strandkörben, Eisschränken, Grillplätzen und Sonnenschirmen um einen Pool entstanden – ein Idyll.
Beim Wegfahren kamen wir an einer anderen Klinker-Fabrik vorbei. Dort sollen nun Wohnungen entstehen, so wie in der Zigarettenfabrik, in der wir leben. Sehr beeindruckend fanden wir die riesige Glaskuppel über dem Treppenhaus.
Ich kann nur dazu raten, solche Ausflüge Berlins Neben-Welten zu machen.